Der Axtmörder von Oak Mountain

Kurzgeschichte von C. A. Mayer

Billy Longhorn hatte ein Problem. Der junge Deputy hütete das Büro des Sheriffs von Oak Mountain. Bis der zurück war, konnte es noch Wochen dauern. Ausgerechnet jetzt ging ein Axtmörder in dem sonst so beschaulichen Ort am Fuß der Rocky Mountains um.

Hauptverdächtiger war ausgerechnet Billys Schulkamerad Rauchender Büffel. Der Häuptlingssohn versorgte Billy regelmäßig mit Zigaretten und Globulis aus getrocknetem Büffeldung. Billy hatte rauchenden Büffel dennoch inhaftieren müssen, um die öffentliche Stimmung zu beruhigen. Zwölf abgeschlagene Axtköpfe setzten die im Sägen ungeübten Holzfäller von Oak Mountain wirtschaftlich arg unter Druck.

Fast täglich schaute Davy Silver im Büro des Sheriffs vorbei. Der großgewachsene Bestatter gehörte wie Billy zur nachwachsenden Generation. Davy Silver war die wohl auffälligste Erscheinung in Oak Mountain. Groß und von schlanker Statur sah man ihn stets im schwarzen Gehrock mit steifem Kragen und mit Zylinder. Die feinen Züge seines blassen Gesichts verstand Davy markant zu betonen und das stets gepflegte lange Haar, ließ manche junge Frau in Oak Mountain vor Neid erblassen.

Zwölf Axtmorde und keine Leiche. Das war für den geschäftstüchtigen Davy Grund genug, um zu intervenieren. Die irreparabel beschädigten Arbeitsgeräte der hiesigen Holzfäller bedurften keiner zeremoniellen Beisetzung.

»Es regnet schon wieder«, stellte Davy pikiert fest und schabte sich die wie Perlen glitzernden Tropfen von seinem sonst makellosen Gehrock.

»Die Holzfäller sind nun einmal ihre Äxte gewöhnt«, seufzte Billy Longhorn schwer hinter dem Schreibtisch seines Chefs. »Sie verletzen sich ständig bei der Arbeit im Wald.«

»Und was hat das mit dem Wetter zu tun?«, fragte Davy Silver betont schnippisch.

»Du kennst doch das alte Sprichwort: Sich sägen bringt Regen.«

Davy trat augenrollend an die Zellentür, hinter der ein glasig dreinblickender Indianer an seiner Friedenspfeife saugte. Als der rauchende Büffel den Bestatter bemerkte, bot er ihm das Rauchwerk an. Davy Silver nahm einen langen Zug, inhalierte tief und gab Rauchender Büffel seine Pfeife zurück.

„Wieso ist er gefesselt? Der ist doch eh total zu“, wunderte sich Davy und suchte, von einem leichten Schwindel ergriffen, an den Gitterstäben Halt.

„Reine Vorsichtsmaßnahme“, erhob sich der Deputy. „Gut möglich, dass die Umweltaktivisten versuchen werden, Büffel rauszuholen.“

Davy fuhr herum: „Doch nicht etwa Ammy Hush, die Waldfee?“

„Genau die“, nickte Billy finster. „Ich bin mir ganz sicher, dass die Grüne Ninja ihre Finger im Spiel hat. Sie ist verdammt clever und wird alles tun, um Büffel rauszuholen.“

Davy rieb sich nachdenklich das Kinn.

„Wir könnten versuchen, Sie zu täuschen.“

„Ammy Hush, die Waldfee? Wie willst du die denn täuschen?“

„Wir hocken uns einfach zum rauchenden Büffel in die Zelle, ziehen uns nackig aus und fesseln uns aneinander“, rieb sich Davy Silver die Hände. „Verstehst du? Sie hat uns noch nie nackt gesehen. Wie soll sie wissen, wer von uns Büffel ist?“

Billy schob seinen Stetson zur Seite und kratzte sich am Kopf. Davy mochte manchmal etwas zudringlich sein, blöd war der Bestatter jedenfalls nicht.

ENDE