Semiotik

Teil 1

Ich schreibe keine Bücher. Ich schreibe Geschichten. Ich will unterhalten. Dafür braucht es unterhaltsame Geschichten, die es wert sind gelesen zu werden und solche Geschichten leben von interessanten Figuren.  „Die Figur ist die Geschichte“, heißt es in einer Empfehlung für Autoren. Das sehe ich auch so. Fast immer steht im Zentrum meiner Geschichten eine interessante Figur. Angel, zum Beispiel. So eine Figur bildet dann den Kern seiner Geschichte, die nach und nach aus der Feder fließen und eine bestimmte Form annehmen wird.

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, um eine Geschichte in Form zu gießen. Für mich spielt die Semiotik eine entscheidende Rolle. Dabei gibt es „die“ Semiotik nicht. Jede Geschichte benötigt ihre eigene Semiotik. Ein Kriminalroman erfordert eine andere Präzision und Logik als eine Fantasy-Story. Auch die braucht eine Logik, allerdings ihre ganz eigene. Eine fantastische Geschichte darf die Gesetze der gewohnten Logik sprengen, muss dabei jedoch ihren eigenen Gesetzen treu bleiben.

Die Semiotik

Die Semiotik entstammt der triardischen Zeichenrelation und umfasst drei Bereiche: Die Syntaktik, die Semantik und die Pragmatik. Schon die Herkunft verleitet dazu, die Semiotik stärker im Bereich der visuellen Zeichenlehre anzusiedeln. Versteht man „Zeichen“ jedoch als „Signal“ oder besser noch als „Impuls“, lässt sich die Bedeutung in Texten deutlicher. Für die Vermittlung von Emotionen, Humor zum Bespiel, werden solche Impulse bewusst eingesetzt.

Vereinfacht kann man sagen:

Syntaktik

Die Syntaktik ist die materielle Ebene der Schriftstellerei. Sie besteht aus Buchstaben, Wörtern, Sätzen, Struktur und Grammatik.

Semantik

Die Semantik ist die Bedeutungsebene und beinhaltet Figuren, Handlung, Plot und Story.

Pragmatik

Die Pragmatik bildet das System, in welches eine Geschichte einzuordnen ist. Sie umfasst Stil und Genre.

Schon bei der Figur wird deutlich, dass die Grenzen zwischen den Ebenen recht unscharf sind. Ein Charakter wird auf syntaktischer Ebene durch Äußerlichkeiten beschrieben. Psyche und Verhaltensmuster fallen stärker in den Bereich der Semantik. Roman und Genre bilden das System, in dem Figur situationsbedingt völlig neue Verhaltensweisen entwickelt. Systemrelevante Gesetze sorgen dafür, dass die Verhaltensänderung nachvollziehbar bleibt.

Pragmatik

Stellt man sich die Pragmatik als Dreieck vor, bildet die Spitze den Bereich der Präzision. Je spitzer, desto enger wird der Interpretationsspielraum des Gesagten. Dementsprechend groß und weit ist dieser an der Basis der Pyramide. Das ist der Bereich der Konnotation. Oben regiert der Verstand, unten das Gefühl.

Aber Vorsicht vor falschen Denkmustern. Mathematik ist zweifellos präzise. Und dennoch können sich viele noch sehr lebendig an die Emotionen erinnern, die beim Schreiben einer Matheklausur fühlbar waren. Bis hin zu Schweißausbrüchen und Ohnmachtsanfällen. Ich wünschte, ich könnte das mit meinen Geschichten  bewirken. Mir bleibt nur, es immer wieder zu versuchen.

Erst wenn wir die Grenzen gängiger Denkmuster überwinden, können wir in das fantastische Reich der Fiktion vordringen. Mathematik ist sehr präzise. Quantenmechanik erfordert hohe Mathematik, scheint also hochpräzise. Dennoch sind die Gesetze der Quantenphysik – von wenigen Ausnahmen einmal abgesehen – mit dem Verstand nur schwer zu erfassen. Physiker wie Heisenberg und Dürr empfahlen daher, für das Verständnis der Quantenmechanik, mehr auf eine vage Ahnung, als auf Erkenntnis und Wissen zu setzen. Mein Gefühl sagt mir, sie könnten recht gehabt haben.