Die Frau, die mich berührte

Kurzgeschichte von C. A. Mayer

Diese Frau hatte etwas. Ich lasse mich nicht gerne ansprechen, auf der Straße. Bei ihr war das anders.

Diese Jugend. Dieser Charme. Lebhaft redete sie auf mich ein. Ich verstand kein Wort und hätte ihr doch stundenlang zuhören können. Dieses Lachen. Diese Augen. Sie wirkte so unbekümmert. Ohne jede Scheu. Ja, sie hatte etwas. Das ließ sich nicht beschreiben, nur spüren. Ich war wie verzaubert.

Was sie wollte? Keine Ahnung. Irgendwas mit ihrem Handy. Sie hielt es mir immer wieder vor die Nase. Entziffern konnte ich nichts. Ihr Haar roch so gut.

Dann plötzlich der Abschied. Einfach so. Noch ein Lächeln, ein letztes Winken, dann war sie in der Menge verschwunden. Wie ein Flüchtiger. Wunderschöner Traum.

So sehr ich den Hals auch reckte, ich konnte sie nicht mehr entdecken. Sehr schade. Sie hatte wirklich etwas. Mein Portemonnaie.

The Woman Who Touched Me

Short story by C. A. Mayer

There was something about this woman. I don't like to be approached on the street. With her it was different.

This youth. This charm. She talked animatedly to me. I couldn't understand a word she was saying, but I could have listened to her for hours. That laugh. Those eyes. She seemed so carefree. Without any shyness. Yes, she had something. It couldn't be described, only felt. I was under a spell.

What did she want? I don't know. Something about her mobile. She kept holding it up to me. I couldn't decipher anything. Her hair smelled so well.

Then suddenly she said goodbye. Just like that. Another smile, a last wave, then she disappeared into the crowd. Like a fugitive beautifull dream.

No matter how much I stretched my neck, I could no longer spot her. What a pity. She really had something. My wallet.

Hey, sieh mich an ...

Kurzgeschichte von C. A. Mayer

Ihr Tonfall war fordernd. Den kannte ich. Er klang so alternativlos. Das veranlasste mich, den Kopf zu wenden, obwohl ich es besser nicht getan hätte. Ich sah sie an. Ihre Augen blitzten kalt. Kälter als sonst nach einem heftigen Disput. Ich hätte mich lieber an ein anderes Bild von ihr erinnert. Es war dieser Blick, der sich für alle Zeiten in mein Gedächtnis brennen sollte.

Als die Ärzte mich aus dem Koma weckten, hatte man sie längst beigesetzt. Ihr Gesicht sehe ich deutlich vor mir. Und den letzten Blick, mit dem sie mich vom Beifahrersitz aus angesehen hatte. An einen Baum kann ich mich nicht mehr erinnern. An den Knall schon.

Hey, look at me ...

Short story by C. A. Mayer

Her tone was demanding. I knew it. It sounded as if there was no alternative. I had to turn my head, although I would have done better not to. I looked at her. Her eyes flashed coldly. Colder than usual after a heated argument. I would have preferred to remember another image of her. It was that look that would be etched in my memory forever.

By the time the doctors woke me up from the coma, she had long been buried. I can still see her face clearly. And the last look she gave me from the passenger seat. I can't remember a tree. But I remember the bang.

Das letzte Kapitel

Show, don’t tell

»Du weißt, wer ich bin?«
»Ich kann es mir denken.«
»Ja, das sehe ich. Wie sagst du immer so schön, mein Freund? Kein Stress.«
»Ich bin nur ein wenig überrascht. Ist möchte nicht unfreundlich sein, aber etwas Distanz wäre vielleicht hilfreich.«
»Wenn es dir hilft. Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. Komme ich sehr ungelegen?«
»Es geht. Das letzte Kapitel ist noch nicht fertig.«
»Ach Mensch, das ist es doch nie. Was gibt es da zu grinsen?«
»Sorry. Aber genau so, habe ich es mir im Grunde vorgestellt. Selbst Ihr Äußeres, gewissermaßen.«
»Ich weiß. Ich hab es gelesen. Anders als du, bin ich vorbereitet. Nimm es als nette Geste. Können wir?«
»Wären Sie so freundlich, mir zu verraten, was jetzt mit mir passieren wird?«
»Das fragst ausgerechnet du? Hast du nicht immer gepredigt: Show, don’t tell?«

The last chapter

Show, don’t tell

"You know who I am?"
"I can guess."
"Yes, I can see that. What is it you always say, my friend? No stress."
"I'm just a little surprised. Don't mean to be unfriendly, but a little distance might be helpful."
"If it helps you. Hope dies last, as we all know. Am I coming at a very bad time?"
"It's okay. The last chapter isn't finished yet."
"Oh man, it never is. What's there to be smiling about?"
"Sorry. But that's exactly how, basically, I imagined it. Even your appearance, in a way."
"I know. I've read it. And unlike you, I'm prepared. Take it as a nice gesture. Can we just ...?"
"Would you be so kind as to tell me what's going to happen to me now?"
"You of all people are asking that? Haven't you always preached: Show, don't tell?"